Obwohl man Cesar Franck zu einem der bedeutendsten Komponisten im Frankreich des 19. Jahrhunderts zählt, kennt man in den Konzertsälen einzig seine Sinfonie d-Moll. Darin erlebt sein Werk ein ähnliches Schicksal wie das von Max Bruch, dessen g-Moll Violinkonzert alle seine anderen Kompositionen überlebt hat. Vielleicht liegt es daran, dass der Organist Franck in Paris zeitlebens nur eine Sinfonie komponierte, anders als der Organist Bruckner? Jedenfalls wird einem, wenn man Francks Orgelwerke hört, rasch klar, warum er dennoch einen festen Platz in der Geschichte der Sinfonik verdient.
Auf drei vollbepackte CDs passen die Werke für Orgel. Sie umfassen die Zeit vom Beginn seines Schaffens im Jahr 1846 bis zum Jahr seines Todes 1890, geben also einen repräsentativen Einblick in Francks Kompositionsstil. Anders als Charles-Marie Widor, dem Begründer der Gattung Orgelsinfonie, hat Franck keine mehrsätzigen Werke für Orgel geschrieben, sondern Einzelstücke. Seine Fantasien, Choräle, Pieces und Offertorien klingen zunächst wie fantastische Improvisationen. Man hat im verschwimmenden Sichauftürmen der Klangmassen bei vollgeöffneter Registrierung eher den Eindruck von musikalischen Zuständen. Doch wenn sich die erste faszinierte Verwirrung gelegt hat, kommt die polyphone Ordnung umso deutlicher zum Vorschein und man erkennt die Formenvielfalt. Denn das leichte Verschwimmen des Klanges ist einkalkuliert und geht auf den französischen, romantischen Orgelbauer Cavaille Colls zurück, auf dessen Instrumenten Franck spielte, und für die er auch komponiert hat. Auf dem italienischen Instrument von Andrea Zeni in Salgareda kommt dieser Effekt ebenso zum Tragen, so dass man auf dieser Aufnahme ein authentisches Klangbild vermittelt bekommt.
Robert Antonello, Professor für Orgel, Musikwissenschaftler und internationaler Preisträger, bringt das reiche, differenzierte und schillernde Spektrum des Instrumentes zur Entfaltung. Seine Wahl der Registrierung wirkt dabei mehr als adäquat, indem er zwischen den Registern ein atmosphärisches Frage und Antwortspiel inszeniert. Gleichzeitig aber arbeitet er nur das heraus, was in den Stücken bereits angelegt ist: Echo-Effekte, Imitationen, obsessive Akkordwiederholungen, Kanons und nicht zuletzt schwärmerische, unendliche Melodien, Ohrwürmer, die den Wagnerverehrer in Franck durchscheinen lassen. Allerdings wird auch die Orientierung an Beethoven offenbar: Oft kehrt das erste Thema am Schluss zurück, was den Kompositionen ein zyklisches Moment verleiht, und dem Hörenden einen festen Anhaltspunkt im mitunter hart dissonierenden, dramatischen Geschehen bietet.
Paradebeispiele für Francks Formenvielfalt bietet vor allem die zweite CD mit dem monumentalen, halbstündigen Grande Piece Symphonique op. 17 und dem Final op. 21. Dieses kommt in den tiefen Registern mit einer solchen druckvollen Kraft daher, dass einem auch vor der heimischen Anlage der Orgelwind ins Gesicht bläst. Aber auch auf der dritten CD erwarten einen mit den kürzeren Stücken kleine Perlen der Orgelsinfonik, wie etwa das wehmütige Andantino von 1857 oder das Petite Piece d´ Entree pour Concours, das übrigens eine Ersteinspielung darstellt. Ein Lob gebührt auch dem Booklet, das nicht nur die Disposition der Orgel anführt, sondern auch die editorischen Aspekte der Kompositionen berücksichtigt.
Aron Sayed (klassik.com), 20.06.2007
