Folge 1 der neuen DVD-Reihe ‘orgeln audiovisuell’ des am Bodensee beheimateten Orgelverlages FAGOTT zeigt etliche Möglichkeiten auf, wie das zumindest äußerlich statische Groß-Instrument ‘Orgel’ in bewegten Bildern lebendig zu machen ist. Mit diesem Vorhaben befindet sich das Label in kleinster Gesellschaft und wird allein dadurch schon Beachtung finden, dass eben nur wenige auf dem freien Markt erhältliche Orgel-DVDs angeboten werden. Für Buch, Kamera, Schnitt & Authoring zeichnet Johannes Eckelmann verantwortlich. Dabei kommen dem Vorhaben die unterschiedlichen Faszinationen, die von der ‘Königin der Instrumente’ ausgehen, entgegen: Technik, Optik, Klang, Repertoire – sozusagen für jeden etwas dabei.
Ein Novum ist ebenfalls der Ansatz, nicht ‘einfach nur’ einen Dokumentarfilm zu drehen – was ohnehin schon spannend gewesen wäre -, sondern die technischen, wohl ‘interaktiv’ zu nennenden Möglichkeiten einer DVD zu nutzen. Auf ca. 170 Seiten mit Bildern und Texten werden Einblicke versprochen, die sonst dem Besucher verborgen blieben und dem Orgelfreund detailliert Auskunft geben.
Weitere Besonderheiten sind die Filme über den Einbau des Schwellwerkes und die Intonierung, sowie die Möglichkeit, die Sonnen-Mixturen, die barocken Spielzüge und jedes der 88 Register anspielen zu können. Insgesamt sind 84 Minuten Filmmaterial zusammen gekommen. Das Komfortable am DVD-Menü ist eben die Möglichkeit, Informationen gezielt auszuwählen und relevante Daten auf einem Blick zur Verfügung zu haben. Nachteilig allerdings vor allem für ‘Einsteiger’, die Zusammenhänge selbst herstellen zu müssen: für das fachfremde Publikum wäre sicher eine spannende gedrehte Video-Reportage als ‘Einstiegsdroge’ in die Orgelwelt geeigneter. Somit jongliert die Produktion zwischen dem Unterhaltungs- und Informationswert, zwischen Faszination und dem Anspruch, die dargestellte Orgel möglichst umfangreich zu dokumentieren.
Neubau von Mathis im Gehäuse von Casparinis Sonnenorgel
Das wegen seiner weltweit wohl einmaligen, rund angeordneten und bespielbaren Pfeifenfelder ‘Sonnenorgel’ genannte Instrument der St. Peter und Paul-Kirche zu Görlitz geht ursprünglich auf ein 1703 vollendetes Werk von Eugenio Casparini zurück. Im Laufe der Jahrhunderte mehrfach verändert, wurde 2006 im historischen Gehäuse ein vollständiger Neubau durch die renommierte Schweizer Orgelbaufirma Mathis fertig gestellt. Der außergewöhnlich prächtige, mit vielfarbigem Dekor, Ohren und Statuen verzierte Prospekt zeugt von einstigem Wohlstand in der heutigen Grenzregion und ist vielen Orgelfreunden präsent. An der hitzigen Diskussion im zeitlichen Umfeld des Neubaus, ob nicht eine getreue Rekonstruktion angebracht gewesen wäre und das neue Instrument nicht klanglich etwas völlig anderes enthalte, als es von Außen verspreche, wollen wir uns nicht beteiligen: an der hohen handwerklichen und klanglichen Qualität ist nicht zu zweifeln.
Interaktive Menüführung
Vom Hauptmenü gelangt man zu den verknüpften Untermenüs, der Auswahl der Orgelstücke, Filme, Bilder, Texttafeln und Hörbeispielen. Die Orgelstücke – ergänzt durch Impressionen aus dem Innen- und Außenbereich des Instrumentes und der Kirche – werden von Kantor und Hausorganist Reinhard Seeliger, Direktor der Görlitzer Kirchenmusikschule, gespielt. Dass dieser in etwas gebückter Haltung und im kurzärmeligen Polo-Hemd, Jeans und Turnschläppchen nicht gerade den üblichen Auftrittskonventionen im klassischen Musikbetrieb Genüge leistet, sei lediglich erwähnt und muss einem persönlichen Geschmacksurteil überlassen werden. Organistisch kennt er natürlich sein Instrument am besten, was sich vor allem in abwechslungsreichen Registrierungen zeigt. Insgesamt hätte man sich vielleicht mehr Verve und eine spritzigere Artikulation gewünscht. Dargeboten werden (nur?) sechs Stücke, einige davon Einzelsätze eines Gesamtwerkes. Als nicht-barocke Beispiele wurden Variationen von Johann Schneider im Stil der Wiener Klassik und der langsame erste Satz aus Olivier Messiaens ‘Himmelfahrt’ gewählt. Bei ersterem kommen auch die putzigen Spezialregister (Vogelstimmen etc.) zum Einsatz, bei letzterem wird der Einsatz des Schwellers demonstriert. Erfreulicherweise enthält das Booklet alle für die jeweiligen Orgelstücke verwendeten Registrierungen und noch einmal die vollständige aktuelle Disposition.
Der Stereo-Klang erweist sich als tadellos und scheint die Orgel in ihrer Raumwirkung originalgetreu zu treffen. Auch die Bildqualität (im Bildformat 4:3) bewegt sich auf unbestreitbar professionellem Niveau, genauso wie Regie und Schnitt, dem sicher die größte Verantwortung oblag, das ‘klingende Möbelstück’ beweglich zu machen.
Fazit: Eine lohnende multimediale Herangehensweise an das faszinierende Instrument Orgel; besonders für Orgelfreaks mit großer CD-Sammlung eine echte Bereicherung. Als Geschenk bestens geeignet; für den am Repertoire Interessierten allerdings keine Alternative zu einer ‘echten’ CD-Produktion.